Time To Market – Die Wartezimmer-Zeit der Entrepreneure – Was Jung-Unternehmer beachten sollten

Für jeden Unternehmer kommt sehr schnell die Frage: wie lange dauert es dieses Produkt an den Markt zu bringen? Egal, ob es sich um ein Tech-Start-Up handelt oder ob es ein (extern produziertes) Produkt ist. Die Zeit in der man mehr oder weniger auf sein Produkt wartet kommt einem wie eine Ewigkeit vor und auch wenn man die Zeit gut verwenden kann und sich schon mal um PR, Marketing und Back Office kümmern kann, bleibt es immer eine anstrengende Zeit in der jeder Unternehmer bis an den Rand seiner Geduld getrieben wird. Mein erstes Start-Up Unternehmen war eine Web-Application für institutionelle Investoren und Investment Banken bzw. Asset Manager und Fonds Managern. Als ich die Programmierung in Auftrag gegeben habe, habe ich noch in der City von London gearbeitet und hatte dementsprechend Geld um mich und die Programmierung zu finanzieren. Was ich jedoch nicht bedacht hatte, war das es 1,5 Jahre dauern würde, bis wir die erste Version von der Application launchen konnten. Wie und warum es so lange gedauert hat, hatte viele Faktoren, aber eine Sache habe ich mit Sicherheit gelernt: Time-To-Market is a bitch!

Für junge Unternehmer kann diese Zeit schnell zu einem Desaster werden und Gründe, warum man noch nicht an den Markt gehen kann gibt es immer. Design noch nicht perfekt; noch nicht zu 100% user-friendly; Features fehlen noch; Engpässe beim Lieferanten; Produktion läuft nicht reibungslos etc. Das schlimme an dieser Zeit, ist das es Geld kostet. In der Zeit kann nur sehr schwer Geld verdient werden, da das Produkt noch nicht am Markt ist; man aber mit seiner eigenen Zeit, die man reinsteckt, bereits so verwurzelt ist, dass man sich kaum noch um andere Projekte / Produkte oder um einen Nebenjob kümmern kann. Wenn man keinen finanzstarken Investor an Bord hat, dann können die Reserven schnell verbraucht sein. Viel machen kann man leider nicht – jeder Entrepreneur muss die Tugend der Geduld erlernen. Allerdings kann man diese Zeit im Vorfeld planen und auch hier gilt, je detaillierter der Plan, desto besser die Budgetierung und je kürzer die Time-To-Market Zeitspanne. Hier sind ein paar Erfahrungswerte:

Tech-Start-Up: Web-Application, iPhone App, etc
Programmierung:
Wenn ihr Leute einstellen wollt für die Programmierung, dann verdoppelt die Zeit, die der Programmierer euch angibt. (i.e. er sagt 3 Monate – also rechnet mit 6 Monaten). Schreibt detaillierte Spezifikationen, die bis ins kleinste Detail gehen. D.h. nicht, dass ihr mit dem Programmierer nicht mehr reden müsst; d.h. lediglich, dass der Programmierer euch eine bessere Zeitangaben geben kann.
Wenn die Specs geschrieben sind und die Jungs am programmieren sind, sollte man bei genau den Specs bleiben. Es wird weitere Ideen geben und weitere Features werden Euch einfallen, die „eigentlich auch noch ganz cool wären“ … versucht diese zunächst zu ignorieren. Die erfolgreichen Tech-Unternehmen haben mit einem „Core-Feature“ angefangen und haben dann ein Portfolio drumherum aufgebaut (i.e. Google: Suchmaschine und dann kamen: Google Maps, Gmail, Google Apps, Google Buzz, Google Wave etc. Ein paar erfolgreiche Features und einige Flops. Was bringt Google am meisten Geld ein? – das Core-Feature, – die Suchmaschine).
Test-Phase: Get the shit out!
Ein Test ist zwar wichtig und sollte durchgeführt werden, aber bis es endlich soweit ist, dass die Beta Version raus kann, ist wahrscheinlich viel Zeit vergangen. eint Tipp: versucht es so schnell es geht online zu stellen. Kleine Bugs bei Web-Applications können dann noch beseitigt werden. Es ist unwahrscheinlich, dass ihr in dem ersten Monat 1 Million User bekommt und die ersten User sind häufig bereit über kleinere Mängel hinweg zuschauen und geben euch gutes Feedback. Also raus damit und live testen. Bei iPhone bzw. iPad Apps zwingt Apple euch die Fehler zu beseitigen und ihr müsst ein ein einwandfreies App abliefern, da es sonst die Apple Kontrolle (1 – 3 Wochen einplanen) nicht besteht.

Produkte: importieren aus China & Co.
Wenn ihr in die Retail-Schiene wollt bzw. Produkte importieren und hier verkaufen wollt, kann es sein, dass die Time-To-Market Zeitspanne „relativ“ kurz ist. Ich werde in einem weiteren Post noch Mal auf den Einkaufsprozess eingehen und versuchen zu erläutern, worauf man bei der Wahl seiner Lieferanten achten sollte. Jeder der bereits bei Alibaba.com reingeschaut hat, wird schnell feststellen, dass ein Lieferanten nicht gleich Produzent ist. In diesem Post will ich nur auf die Zeitspanne eingehen.
Bei unseren Produkten hatten wir einen relativ langen Research Zeitraum eingeplant. Wir wollten zunächst das Potential auf dem deutschen Markt eruieren. Diese Research-Zeit hat bei uns ca. 2 Monate gedauert und hatte einen sehr strukturierten Prozess (auch hier kommt noch ein weiterer Post). Als wir dann soweit waren und Produkte ausgesucht hatten, haben wir uns auf die Suche gemacht und über Alibaba ein paar Lieferanten angeschrieben. Einige haben sehr schnell geantwortet und bei anderen dauerte es etwas länger. Meistens waren es die Sales-Agents, die sehr schnell und teilweise nachts (chinesische Zeit) noch geantwortet haben. Meistens waren es aber auch die Sales-Agents, die nicht immer alle Antworten hatten. Darauf sollte also geachtet werden – die Qualität der Antworten ist ein wichtiger Indiz für die Qualität des Lieferanten und dessen Produkte.
Sobald eine engere Auswahl an Lieferanten vorliegt, sollte versucht werden Muster zu bestellen. Diese Muster können im Normalfall relativ schnell – per UPS oder DHL in Deutschland ankommen. Da die Muster deutlich mehr Kosten, als später die einzelnen Stücke (von einer Containerbestellung) kann man in diesem Schritt vorher versuchen, den besten Produzenten anhand von Emails, Produkt-Fotos und ggf. Telefonaten zu identifizieren. Achtet darauf, dass die Kosten für die Muster verrechnet werden, wenn es zu einer Erstbestellung kommt. Man sollte trotzdem die Muster genau prüfen und bei Mängeln nach weiteren Lieferanten Ausschau halten. Nichts kann euch das Geschäft schneller kaputt machen, als schlechte Qualität und ihr wollt nicht mit einem Produkt an den Markt gehen, von dem ihr nicht selbst überzeugt seid.
Sobald die Muster getestet sind, erfolgt die Produktion. Hier ist es wichtig die Produktionskapazitäten von dem Lieferanten zu erfragen und seine Auftragslage zu hinterfragen. Es kann Euch viel Zeit kosten, bei einem Lieferanten zu sein, der euren Auftrag erst in 2 Monaten abarbeitet, weil er gerade zu viele andere Aufträge in der Pipeline hat. Die eigentliche Produktionszeit hängt von dem Produkt ab. Bei Einzelhandel Produkten (Containerbestellungen) sollte mit einer Zeit von 1 – 3 Monaten gerechnet werden. Diese Zeit bezieht sich auf den Zeitraum von der Auftragsvergabe an den Lieferanten bis zur Verschiffung.
Last but not least: Shipping. Diese Zeit sollte nie vergessen werden. Von China nach Deutschland sind zwar täglich 100te von Containern unterwegs und die Organisation geht relativ schnell, aber der Seeweg dauert trotzdem mindestens 4 – 8 Wochen (von Lager zu Lager).

Eigene Produkte & Erfindungen
That’s a hard one! Wir sind selber gerade dabei 2 eigene Produkte zu entwickeln. Auch hier sind wir durch die Research-Phase gegangen und haben zunächst geschaut, ob es das Produkt bereits gibt. Dann sollte evtl. ein Patent-Anwalt eingeschaltet werden und dafür braucht man auch 2 – 3 Monate Zeit (Angabe ohne Gewähr – das ist bei uns einer der nächsten Schritte). Hinzu kommt die Erstellung eines Prototypen und die Suche nach einem Produzenten. Auch hier ist es evtl. sinnvoll einen Anwalt einzuschalten und einen NDA (Non-Disclosure-Agreement) verfassen zu lassen. Bei dem Prototypen-Produzenten macht es evtl. Sinn einen deutschen Produzenten zu suchen (auch wenn der spätere Auftrag ins Ausland vergeben werden soll), da schneller Nachbesserungen umgesetzt werden können und Kommunikationsprobleme (durch Sprache, Zeitunterschied und Kultur) minimiert werden können. Wie gesagt, wir sind gerade noch am Anfang von diesem Prozess für ein eigenes Produkt; es ist wahnsinnig interessant und wir werden unsere Erfahrungen teilen, sobald wir Ergebnisse haben.

Soweit ein paar Erfahrungen aus unserer Wartezimmer-Zeit. Es ist mit Sicherheit keine schöne Zeit, aber man weiss genau, dass man irgendwann dran ist und es dann richtig losgehen kann. Was die meisten Leute in einem Wartezimmer machen, ist auch ein guter Tipp für alle Unternehmer: Nehmt euch die Zeit, lest ein Buch und bereitet euch auf den Market-Launch vor.

Die einzelnen Angaben können selbstverständlich stark voneinander abweichen und hängen maßgeblich von dem Projekt ab. Was habt ihr für Erfahrungen gemacht? Wie lange musstet ihr warten?

2 Kommentare zu “Time To Market – Die Wartezimmer-Zeit der Entrepreneure – Was Jung-Unternehmer beachten sollten

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